Kircheninterieur im 17. Jhd. im Schweriner Kunstmuseum

Architekturdarstellungen im sogenannten Goldenen Zeitalter

In der holländischen Malerei des 17. Jahrhunderts verselbständigten sich bestimmte Gattungen, die vorher Teil eines Ganzen waren. Zu diesen Gattungen gehört auch das Architekturbild. Vor allem in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts gab es viele Architekturmaler, die ein Interesse an Perspektiv- Darstellung hatten. Zu ihnen gehörten u.a. Pieter Jansz, Pieter Saenredam, Emanuel de Witte und Hendrick Cornelisz.

Es wurden nicht nur Kircheninterieurs bildwürdig, sondern auch Marktplätze, Straßen und wichtige öffentliche Gebäude. Der Kirchenraum als Ort des Messopfers hatte durch die Reformation seine liturgische Bedeutung verloren. Nicht die Kirche mit ihren Bildwerken war jetzt der Ort des Heils sondern das Wort Gottes, vermittelt durch die Predigt. Viele Gegenstände werden zum Stimmungsträger im Bild und versteckte Allegorien weisen auf moralische Lehren hin.
Im Besitz des Staatlichen Kunstmuseums Schwerin befindet sich ein besonders schönes Beispiel für die Architekturmalerei im 17. Jahrhundert in Holland. Die Oude Kerk in Delft, die Hendrick Cornelisz van Vliet (1611-1675) 1659 malte. Anlass kann die Wiederherstellung des Kirchenraumes sein, denn das Gotteshaus wurde durch eine Explosion des Delfter Pulverturms schwer beschädigt.

Der Blick im Bild von Hendrick van Vliet fällt schräg durch die Kirche, vom Seitenschiff bis in den Chorumgang. Was zunächst verwirrt, ordnet sich bald und bildet doch nicht die Realität ab, denn die hohen Fenster des Querschiffs wären zum Beispiel aus dieser Position nicht sichtbar. Selbst in wirklichkeitsnahen Bildern musste der Künstler schöpferisch sein, um seinen Zweck zu erreichen. Trotz der vielen Menschen im Raum offenbart der lichtdurchflutete Innenraum eine weihevolle Andacht. Im Museumskatalog „Glanzstücke“ beschreibt der Autor 2022 den Bildraum als sowohl horizontal als auch vertikal in klare Zonen gegliedert. Unten sammeln sich die dunkleren Farben und man möchte meinen, dort die irdische, menschliche Wirklichkeit zu erleben. Sie wird einer größeren Zone der Helligkeit gegenübergestellt, geschaffen aus einer tonigen Farbigkeit. Göttlich wirkendes Licht strömt von oben herein und ergießt sich mit sakral-feierlicher Wirkung über die Architektur. Dieses schlichte, unauffällige Interieurs so kunstvoll zum Thema zu machen, ist eine außerordentliche Leistung des Malers.

Das Gemälde war in den Wirren des Zweiten Weltkriegs verloren gegangen und konnte im Jahr 2009 wieder in die Museumssammlung zurückgeführt werden. Es wird unter der Nummer: Inv.-Nr. G 3752 geführt.

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